Zu Besuch in der Mühlenstraße 29 in Düsseldorf. Eine belebte Straße mitten in der Altstadt – dort, wo sonst das Leben pulsiert, wo man sie kennt, die „längste Theke der Welt“.
Doch hinter einer großen grünen Eingangstür verbirgt sich ein ganz anderer Ort: die Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf.
Hier begrüßte uns Dr. Bastian Fleermann, der Leiter der Einrichtung, mit den Worten: „Willkommen in der Altstadt – und willkommen in unserem Hause, das unterschiedlicher und abwechslungsreicher gar nicht sein kann.“

Häufig, so erzählt er, werde er gefragt, warum sich eine Mahn- und Gedenkstätte ausgerechnet im Trubel der Altstadt befinde. Seine Antwort ist ebenso schlicht wie überzeugend: „Einen besseren Ort konnten wir nicht finden. Wir wollen uns nicht verstecken. Wir wollen den Menschen in einer offenen Atmosphäre begegnen – und freuen uns, wenn sie etwas mitnehmen.“
Und viele tun das: Rund 35.000 Besucherinnen und Besucher kommen jedes Jahr – Schulklassen, Studierende, Polizeischülerinnen und -schüler aus ganz NRW, Feuerwehrleute, aber auch interessierte Bürgerinnen und Bürger. Sie alle setzen sich hier mit Geschichte auseinander – nah, persönlich und berührend.
Ein Haus mit Geschichte
Bevor es in die Ausstellung ging, erklärte Dr. Fleermann den Mitgliedern der Bruderschaft, in was für einem Gebäude sie sich eigentlich befanden. Ursprünglich von Jesuiten errichtet und über lange Zeit bewirtschaftet, liegt es nur wenige Schritte von der Andreaskirche entfernt. Später zog hier die preußische Polizei ein und errichtete eine der modernsten Polizeibehörden ihrer Zeit. Gegenüber, im heutigen Andreas-Quartier, befand sich früher das Amts- und Landgericht Düsseldorf – dort, wo am 26. November 1975 der große Majdanek-Prozess begann, in dem die Verbrechen des Konzentrationslagers Majdanek verhandelt wurden.
Geschichte, die unter die Haut geht
In der ständigen Ausstellung geht es nicht um Zahlen und Statistiken, nicht um die „Masse des Schreckens“, sondern um Menschen und ihre Geschichten.
Da ist der zwölfjährige Pfarrerssohn, der unbedingt in die Hitlerjugend wollte, weil alle seine Freunde dort waren. Segelfliegen, Messer am Gürtel – der Traum eines Jungen, der zum Albtraum seiner Eltern wird.
Oder der Mann, der aus Langeweile seine Zelle auf der Ulmer Höhe zeichnete.
Oder das fünfjährige Mädchen, das in Mönchengladbach auf dem sogenannten „Idiotenhügel“ verscharrt wurde – ein erschütterndes Beispiel für den Umgang mit behinderten Menschen im Dritten Reich.
Dr. Fleermann vermittelte uns diese Geschichten mit spürbarer Empathie, Körpersprache und auch einem Hauch Humor, der nie unpassend wirkte, sondern den Zuhörern half, die Schwere des Themas zu tragen. Er forderte die Besucher auf, mitzudenken, zu sprechen, zu fühlen, anstatt nur zuzuhören.
Täter oder Opfer?
Ein besonders eindrucksvoller Moment war der Aufenthalt in einem schmalen Flur voller Schwarz-Weiß-Fotografien. „Schaut euch die Gesichter an“, sagt Fleermann. „Und überlegt: Wer war Täter, wer war Opfer?“ Die Besucher drehten die Bilder um – und fanden auf der Rückseite die Antwort. Viele lagen falsch. „So kann man sich irren“, schmunzelte der Historiker und erzählte eine Anekdote: „Vor ein paar Jahren stand hier eine bekannte CDU-Politikerin. Sie zeigte auf ein Bild und sagte: ‚Der sieht ja richtig nach Verbrecher aus!‘ – Wir drehten das Bild um, und es war Karl Arnold, Zentrumpolitiker der Weimarer Republik, 1944 von der Gestapo verhaftet, Gründer der CDU Düsseldorf und erster Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens.“
Sein Fazit:
„Man sieht den Menschen eben immer nur vor den Kopf.“
Nachdenklich und dankbar
Nach eineinhalb intensiven Stunden endete die Führung. Dr. Fleermann verabschiedete die Gruppe mit herzlichen Worten:
„Danke für euren Besuch. Ich habe nur eine Bitte: Nutzt die Gelegenheit, jetzt in der Altstadt vielleicht noch etwas zu trinken – und sprecht miteinander über das, was ihr heute hier gesehen und gehört habt.“
Ein Vorschlag, den viele gern annahmen – denn so bleibt der Dialog lebendig, und die Erinnerung an diesen besonderen Besuch sicher noch lange bestehen.